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Hörspielkritik - Aresoneia II - Folge 1: THARSIS

Autor: Frank Bruns

In der kostenlosen Amateurhörspielreihe Aresoneia, von Autor und Produzent Konrad Kretschmer aus Oldenburg, verschlägt es eine bunt durchmischte Gruppe Menschen auf den Mars, um die Überlebenden der missglückten ersten Marsreise zurück zur Erde zu bringen. Angeführt werden sie dabei vom berühmten Erfinder Nikola Tesla.

Nach den neun Folgen des ersten Kapitels, erblickt am 15.12.2017 mit THARSIS die erste Folge aus Kapitel II das Licht der Welt.  Darin erwachen Nellie Bly und Andrea Tell in einer Höhle auf dem Mars und müssen feststellen, dass sie auf sich allein gestellt sind. Nach kurzer Zeit stoßen sie auf ihre Mitstreiter Dr. Treves und Lieutenant Dibbs. Gemeinsam versuchen sie die Höhle zu verlassen, die von eigenartigen Pflanzenmenschen bewacht wird, um nach dem Rest ihrer Reisegruppe zu suchen.

Kritik

Story

Nachdem Kapitel I mit der erstmaligen Erwähnung der namensgebenden Aresoneia-Maschine abrupt endete, beginnt Kapitel II überraschenderweise nicht auf dem Mars, sondern auf der Erde. Genauer gesagt, einer futuristisch anmutenden Steampunk-Version der Stadt New York. Ein Setting, das gut zur legendenumwobenen Persönlichkeit des Elektrizitätspioniers Nikola Tesla (im Hörspiel vom Autor selbst gesprochen) passt.
In diesem New York berichtet Nellie Bly - im realen Leben Wegbereiterin des investigativen Journalismus und Vorkämpferin für die Emanzipation der Frau im späten 19. Jahrhundert - den ebenfalls aus Kapitel I bekannten Figuren Warren Garrott und besagtem Nikola Tesla, über die zurückliegenden Geschehnisse auf dem Mars. Der Bericht in Form einer Rückschau dient Kretschmer als Rahmenwerk für die Handlung dieser Folge.
Mit der Kenntnis von Kapitel I beginnt sofort das Gedankenspiel im Kopf des Hörers, der versucht, das Gehörte einzuordnen. Handelt es sich bei den Szenen im futuristischen New York um einen Traum, eine parallele Zeitlinie oder um etwas gänzlich Anderes? Das Hörspiel bleibt uns die Antworten in der ersten Folge des neuen Kapitels verständlicherweise schuldig. Dennoch ist es eine einfallsreiche Eröffnungssequenz, die Lust auf Mehr macht.
Aber auch die Szenen auf dem Mars wirken einfallsreich und regen zum Spekulieren über den weiteren Verlauf der Geschichte an. Ein kreatives und akustisches Glanzstück sind die neu eingeführten Pflanzenmenschen, deren fremdartiges Wesen durch zahlreiche Beschreibungen und Spekulationen, eine gewisse Tiefe erhält. Mit etwas Glück spielen sie auch in weiteren Folgen eine Rolle. Ihr Potenzial ist noch nicht ausgeschöpft.

Ansonsten lernen wir interessante neue Schauplätze und zusätzliche Charaktere kennen, deren weitere Bedeutung für die Geschichte jedoch größtenteils im Unklaren bleibt.

Produktion

Dass es sich um eine Amateurhörspielserie handelt, hört man Aresoneia, objektiv betrachtet, die meiste Zeit über an. Alle Sprecher*innen haben ihre Rollen privat in Eigenregie aufgenommen und erhielten nur die eigenen Textpassagen vom Autor. Bis auf grobe schriftliche Hinweise zur gewünschten Betonung, lässt Kretschmer seine Akteure über den Handlungskontext im Unklaren. Das ist ausdrücklich Teil des Produktionskonzepts der Serie, führt aber hin und wieder zu irritierenden Momenten in den Dialogen. Besonders auffällig ist es, als alle Sprecher einer Szene im Flüsterton sprechen sollen und dabei völlig unterschiedliche Varianten des Flüsterns herauskommen. Die Illusion, dass sich alle Figuren im selben Raum befinden und sich tatsächlich miteinander unterhalten, wird durchbrochen.

Auf die komplette Produktion bezogen, stört diese Vorgehensweise das Gesamtbild überraschenderweise kaum. Auch über die unterschiedlichen Tonqualitäten der Aufnahmen hört man schnell hinweg. Dennoch würde es dem Hörerlebnis gut tun, wenn das technische Niveau über die verschiedenen Rollen vereinheitlicht werden könnte.

Geräusche und Musik

Die Geräuschkulisse ist zweckdienlich, erreicht aber kein kommerzielles Niveau. Nichtsdestotrotz ist sie völlig ausreichend, um das Geschehen vor dem geistigen Auge sichtbar werden zu lassen. Ich hatte beim Hören nie Probleme damit, zu verstehen, was mit diesem oder jenem Geräusch ausgedrückt werden sollte.

Für die Musik hat Konrad Kretschmer sich Verstärkung ins Boot geholt. Schrieb er für Kapitel I noch alle Tracks selbst, unterstützt ihn nun der Oldenburger Künstler Billion One. Die Klänge des Musikers reichen von episch-sphärisch bis reduziert-melancholisch. Sie fügen sich gut ein und transportieren die Atmosphäre des Hörspiels treffend. Definitiv ein Upgrade zu Kapitel I.

Sprecher*innen

Die meisten Sprecher*innen machen ihre Sache annehmbar bis gut, wenn man bedenkt, dass es sich um Amateure handelt. In dieser Folge sticht Christian Fugel alias Dr. Treves etwas hervor. Sowohl Aufnahmequalität als auch Schauspiel machen die meiste Zeit über einen nahezu professionellen Eindruck. Das soll die Leistung des restlichen Casts jedoch keineswegs schmälern. Dass sich ein paar neue Stimmen zum bekannten Ensemble hinzugesellen, frischt das Hörerlebnis auf.

Fazit

Zum Auftakt von Kapitel II der Amateurhörspielreihe Aresoneia serviert Konrad Kretschmer dem Hörer mit THARSIS eine der bis dato einfallsreichsten Folgen der ganzen Serie. Es gibt die eine oder andere schriftstellerische oder produktionstechnische Schwäche, über die man aber leicht hinweg sehen bzw. hören kann. Man fühlt sich als Hörer dennoch stets gut unterhalten, wie es auch der Autor durch sein Alter Ego Nikola Tesla in einer Szene höchstselbst treffend bemerkte. Auf diesem Niveau darf es gerne weitergehen. Ich freue mich auf Folge 2 (CYDONIA), die Mitte Februar erscheinen soll.

Alle Folgen von Aresoneia können kostenlos auf der Bandcamp-Seite des Autors bezogen oder per E-Mail unter aresoneia@kon-kret.eu erfragt werden.

Sonstiges

EDIT: Seit dem 16.01.2018 ist auch THARSIS auf Konrad Kretschmers Bandcamp-Seite frei verfügbar.

 

Die Hörspielserie soll, nach Angaben des Autors, ausdrücklich kopiert und weitergegeben werden dürfen. Daher ist es mir ein Rätsel, weshalb die neue Folge THARSIS nicht sofort der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Einerseits gibt es eine Facebook-Seite zum Hörspiel, über die mit der Internetgemeinde kommuniziert wird, andererseits wird es Außenstehenden sehr schwer gemacht, an das Werk zu gelangen. 

Wenn man keine Sprechrolle hat oder Newsletter-Abonnent ist, muss man den Autor anschreiben, um in den Genuss der Folge zu kommen. Man erhält dann einen passwortgeschützten Download-Link, mit dem man sich das Hörspiel herunterladen kann.
Das sind unbequeme Hürden, die meines Erachtens kaum ein geneigter Hörspielfan zu nehmen bereit sein wird, um ein Amateurhörspiel anzuhören.

Dabei muss man sich mit der Serie nicht verstecken. Ein solch umfangreiches Freizeitprojekt, das viel kreative Energie, Fleiß und Koordinationsarbeit erfordert, auf die Beine zu stellen, ist eine äußerst respektable Leistung. Sie verdient mehr Öffentlichkeit. Ich würde mir daher wünschen, dass alle Folgen unmittelbar nach Erscheinen auch auf Plattformen wie Facebook,  SoundCloud oder YouTube in voller Länge zur Verfügung gestellt werden.

Links



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Kommentare: 2
  • #1

    Konrad Kretschmer (Dienstag, 16 Januar 2018 11:43)

    Danke für die Rezension, das Lob und die Kritik!
    Ich würde mich auch über Rezensionen von zukünftigen Folgen sehr freuen! :-)

    Die neuen Folgen (so auch "THARSIS") werden jeweils mit etwas zeitlicher Verzögerung für alle ohne Hürden verfügbar sein!
    https://aresoneia.bandcamp.com

    Veröffentlichung über YouTube, SoundCloud etc. sind eine coole Anregung! Mal sehen... ;-)

  • #2

    Frank Bruns (Dienstag, 16 Januar 2018 23:56)

    Danke für den Hinweis. Ich habe im Text bereits ergänzt, dass alle Folgen zeitnah öffentlich zugänglich sind.
    Ob, ich immer dazu kommen werden, die neuen Folgen zu besprechen, kann ich nicht versprechen. Das kostet schon ein Menge Zeit; und die ist sehr knapp geworden, seit dem ich Vater bin. Prinzipiell kann ich mir das aber schon vorstellen und weitere Rezensionen könnten etwas schneller gehen, da die Struktur bereits steht.